Das Neubauprojekt Zur Schönen Agnes in der Sieveringer Straße 221 in Wien Döbling wird mit einem technisch hoch innovativen Heiz- und Kühlsystem ausgestattet, das bislang nur bei ausgewählten großvolumigen Wohn- und Bürobauten zum Einsatz kam. Das Planungsziel ist, ein im laufenden Betrieb CO2-neutrales Heiz- und Kühlsystem zu installieren. Dies wird durch die Nutzung von Erdwärme, zweier Sole-Wasser-Wärmepumpen und den Einsatz von Strom aus 100% erneuerebarer Energie erreicht.
Aufgrund der peripheren Lage des Objekts sind Fernwärme bzw. -kälte nicht verfügbar. Alternative Energieträger wie Biomasse oder Holz wurden aus Gründen der langfristigen Nachhaltigkeit nicht in Betracht gezogen. Um den Klimazielen gerecht zu werden, sollt eein innovatives Energiekonzept mit einem möglichst geringen CO2-Bedarf in Herstellung und Betrieb entwickelt werden.
Raumheizung und -kühlung
Die Raumheizung sowie die Raumkühlung in den einzelnen Wohnungen erfolgen über einen sogenannten Energieboden. Diese Fußbodenheizung bzw. -kühlung läuft im Dauerbetrieb und verfügt über eine automatische Umstellung zwischen Heiz- und Kühlbetrieb in Abhängigkeit der mittleren Außentemperatur. Zusätzlich werden in den Schlaf- und Wohnzimmern sowie in den Wohnküchen Umluftgeräte (Fancoils) zur Raumkühlung unterstützend eingesetzt. Um den Einfluss der Bandbreite des Nutzerverhaltens zu berücksichtigen, wurde im Zuge der Planung der Energiebedarf für unterschiedliche Komfortbedürfnisse berechnet. Mittels thermischer Gebäudesimulation wurden Variantenstudien durchgeführt, die sich durch unterschiedliche SOLL-Raumtemperaturen auszeichnen. Auf Basis der Gebäudesimulation konnten das Erdsondenfeld und die Wärme- bzw. Kältebereitstellung dimensioniert werden.
Erdsondenfeld
Das Funktionsprinzip des Erdsondenfeldes beruht darauf, dass die Wärmebilanz zwischen Erdreich und Gebäude über ein Jahr betrachtet ausgeglichen sein muss. Während der Wintermonate wird dem Boden Wärme entzogen, um das Gebäude zu heizen. In den Sommermonaten wird Wärme aus dem Gebäude in den Boden zurückgefördert und das Gebäude dadurch gekühlt. Aktuelle reale Klimadaten zeigen, dass der Kühlbedarf im Sommer geringfügig größer ist als der Wärmebedarf im Winter. Dadurch könnte ein Ungleichgewicht und somit eine Überhitzung des Erdsondenfeldes entstehen. Um diese Disbalance zu vermeiden, wurde beim Projekt Zur Schönen Agnes ein Sole-Luft-Wärmetauscher für die Spitzenabdeckung der Kühlleistung mit eingeplant.
Dimensionierung
Unter der Berücksichtigung sämtlicher bauphysikalischer Parameter liefert die thermische Gebäudesimulation des Objekts Zur Schönen Agnes einen mittleren Heizwärmebedarf (HWB) von 19,4 kWh/m²a und einen mittleren Kühlbedarf (KB) von 34,3 kWh/m²a.
Im Zuge der Gebäudesimulation wurden unterschiedliche Betriebsszenarien untersucht. Die erforderliche Leistung der Wärmepumpe sowie die benötigte Anzahl an Erdsonden errechnet sich aus dem kritischen Fall von hohen Raumlufttemperaturen im Winter (großer Wärmebedarf) und geringen Raumlufttemperaturen im Sommer (großer Kühlbedarf). Für das geplante Projekt werden 20 Tiefensonden mit jeweils 150 m Rohrlänge sowie zwei qualitativ hochwertige Sole-Wasser-Wärmepumpen der Marke Hoval mit einer Gesamtheizleistung von 130 kW und einer Gesamtkühlleistung von 120 kW eingesetzt. Die Wärme- bzw. Kältebereitstellung erfolgt gekoppelt sowie im Kühlbetrieb reversibel in vier Leistungsstufen zu je 25%. Die Effizienz der beiden Wärmepumpen wird für den Heizbetrieb mit einem Seasonal Coefficient of Performance (SCOP) von 3,5 und für den Kühlbetrieb mit einer Seasonal Energy Efficiency Ratio (SEER) von ebenfalls 3,5 angegeben. Für den laufenden Betrieb bedeutet dies, dass mit 1 kWh Strom 3,5 kWh Wärme- bzw. Kälteenergie bereitgestellt werden können.
Die Wärmebereitstellung für das Warmwasser erfolgt getrennt vom Heiz- und Kühlsystem über zwei Luft-Wasser-Wärmepumpen mit einer Gesamtleistung von 28 kW.
Evaluierung und Optimierung
Die Technologie des Heizens und Kühlens über ein Erdsondenfeld mit Wärmepumpen erfordert eine umfassende Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik (MSR). Neben einem mehrmonatigen Probebetrieb werden sämtliche Regelparameter und Betriebszustände des Heiz- und Kühlsystems einem technischen Monitoring unterzogen. Durch diese laufende Überwachung sollten die Funktionstüchtigkeit sämtlicher Anlagenteile garantiert und Fehler frühzeitig erkannt werden, um etwaige Optimierungsmaßnahmen rechtzeitig durchführen zu können. Außerdem werden die in der Planung festgesetzten Parameter evaluiert und der langfristige CO2-neutrale Betrieb der Anlage überprüft.